Misunderstanding Photography
- Claus-Dieter Tholen
- 30. Jan. 2016
- 2 Min. Lesezeit
Ausstellung vom 20.02. bis 02.04.2016
Ausstellungseröffnung am 19. Februar 16
ab 19 Uhr, Einführung gegen 19:30 Uhr
Fotografie ist das Produkt der vollständigen Entfremdung.
Marcel Proust
Mit der Fluxus Arbeit (1964) von Mel Bochner und weiteren Kunstwerken der Künstler Klaus Beck | Anna & Bernhard Blume | Hans Breder | Johannes Brus | Jochen Gerz | Hans Peter Feldmann | Osmar Osten | Andy Warhol und Weizenfeld zeigt die Ausstellung das Missverständnis der- oder auch in der Fotografie.

© Hans Breder|AC galerie tholen|Herford
„Fotografie ist das Produkt der vollständigen Entfremdung“, sagte Proust, vielleicht musste er es sagen, denn ihre Anerkennung als vollgültiges ästhetisches Medium war um und bis weit nach 1900 noch die absolute Ausnahme, erst die Surrealisten trainierten einen produktiven Umgang mit ihr. Diese Tradition führt denn auch direkt zu den von Claus-Dieter Tholen versammelten Arbeiten. Ein kurzer Blick: Hans Breder, Herfords großer Entlaufener, variiert den Mythos, Narziss oder Aphrodite mit verdecktem Gesicht (Body Sculpture, 1971), dazu ein Videostill von 1998, dass das Spiegelungsthema in der Dopplung des Gesichts wieder aufnimmt und zugleich überhöht. Wer zudem hätte gedacht, dass diese ursprünglich bloß pikturale Gebrauchsform des Monumentalen fähig ist?
Fleischmanns Post mit Boxerbildern, wenn du nicht aufpasst, gibt’s was auf's Maul, ein kurzer rechter Jab, seit George Bellows ist das Thema kunstfähig, oder seine Fundsache 1999, der anonyme Unfall als le moment décisif, doch nicht absehbar, wie es weitergeht – surreal eben.
Fotos stellen immer die Frage nach Spiegelung, Verdopplung und Identität. Klaus Becks Zwei Treffer, aber vier Löcher. Loch ist immer gut. Und Fokussierung: Who's zoomin' who?, Osmar Osten kneift vor der Linse, extra für Tholen ein Gimmick in diesem Medium. Warhols Serialität eines (fast) Gesichtslosen, gueules coupées, der Blumes obszöne Un=Gleichung phallischer Signifikanten (Lacan, ick hör' dir trapsen), auch Weizenfeld substituiert, hier als Camouflage. Sehen Sie mal näher hin.
Barthes' punctum, das muss jetzt wohl kommen, die Fotografie ein Theoriemedium? – Aber sicher. Aus Theorie geboren, wieder hinführend zu ihr, viel interessanter deshalb Mel Bochners Fluxus-Arbeit von 1964, die in Parodie auf Notate aus Zettelkästen, also einem Kohärenzbemühen, denkerische Schwergewichte, deren Lehren in dieser Welt niemals zusammengehen werden, auf einem Blatt montiert. So fliegt uns alles um die Ohren. Misunderstanding Photography? Es kann gar nicht anders sein, Beat Wyss teilt mit, wenn überhaupt ein Richtungssinn der neueren Kunsthistorie erkennbar sei, so der des produktiven Missverständnisses, das Artefakt als „abgespaltene Gedächtnisschramme“ wartet nur darauf, „mit dem Neuen angefüllt zu werden“. Daher keine konkreten Deutungsangebote, unübersehbar nur: Identität und Medialität, das ist ziemlich dick, doch es spricht für den Galeristen und seine Exponate, dass ihnen durchweg komisch-humoristische Obertöne eignen. Und das ist gut so, denn man vergisst viel zu oft, den Bierernst der Klassischen Moderne und seiner Künstler-Priester, man kauft ihn längst nicht mehr ab.
Ingo Meyer 2016

© Hans-Peter Feldmann|AC galerie tholen|Herford
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